21. Februar 2022

Konfrontation mit der Katastrophe im Ahrtal

Spendenübergabe des Roten Kreuzes lehrt Demut

Eigentlich sollte es die symbolische Übergabe eines Schecks in geordnetem Rahmen werden. Doch ein solcher Rahmen ist dort noch nicht vorhanden und der Wunsch nach einem geordneten Leben nährt sich durch die Hoffnung auf bald wieder nutzbare Strukturen im Alltag.

Nach erfolgter Grundhilfe brauchen die Menschen im Ahrtal nun Psychologen, Sozialarbeiter und Psychotherapeuten, um die tiefen seelischen Wunden zu behandeln. Und Unterkünfte, in denen diese ihre Leistungen anbieten können. Denn viele der noch stehenden Gebäude sind schadhaft und somit nicht nutzbar. 

Im Keller des DRK-Kreisverbandes Ahrweiler in Bad-Neuenahr trocknet langsam die Nässe, das Wasser hat die dort archivierten Unterlagen vernichtet. Unweit der Geschäftsstelle standen Häuser, die es nicht mehr gibt. Den stummen Blicken öffnet sich eine gähnende Leere. Das Hochwasser in der Nacht auf Donnerstag, den 15. Juli 2021, hat sie gerissen, die Flut Ruinen sowie einen mit Fäkalien und Heizöl durchtränkten Boden hinterlassen, der das Grundwasser verseucht hat. Strom gab es nicht mehr. 

„Das war wie im Krieg, nur dass wir nicht beschossen wurden“ sagte Rotkreuz-Präsident Achim Haag und freute sich sichtlich gerührt, als dessen Odenwälder Kollege Georg Kaciala und DRK-Vorstand Frank Sauer am vergangenen Donnerstag symbolisch einen Scheck in Höhe von 60.300 Euro überreichten. Haag hatte allein in seinem Wohnort Altenahr 40 Tote zu beklagen. Er beschrieb, dass die Ahr mit einem Druck von rund 60 Tonnen viele Fundamente weggerissen und dadurch die betreffenden Häuser zerstört habe.   

Die Brücke über die Ahr hat die Flut weggerissen. Am anderen Ufer sieht man Zelte, in denen die Angelegenheiten des Alltags provisorisch bewältigt werden und die aufgestellten Waschcontainer. (Foto: Frank Sauer / DRK-Odenwaldkreis) 

Auch heute sitzen noch Menschen in einigen oberen Stockwerken, die sie wegen der entstandenen und noch bestehenden Schäden nicht verlassen können. Die Feuerwehr versorgt die Betroffenen mit dem Nötigsten. Häufig sieht man Container, die Waschmaschinen für die vom Schicksal geschlagenen Familien beherbergen. Handwerker finden sich in der benötigten Anzahl nicht. Beschäftigte des Gesundheitssystems sind aufgrund ihrer erlittenen Erlebnisse krankgeschrieben. Bei den Älteren werden die Traumata des vergangenen Krieges wieder wach. 

Hilfe zur Selbsthilfe

Das gesammelte Geld fließt nun direkt in die Hilfe zur Selbsthilfe ein, über deren Grundzüge mit möglichem strukturellem Aufbau Friedel Weyrauch berichtete, die beim Odenwälder Roten Kreuz diese schon lange etabliert und von der Pike auf betreut hat. Somit dienen die Mittel aus dem Odenwald dazu, die Gründung von Gruppen zu ermöglichen, in denen mit Unterstützung von geschulten Fachkräften in Begegnungsstätten dem psychischen und seelischen Leid entgegengeschritten werden kann. „Für diese aufsuchende Hilfe besteht bei uns gerade jetzt großer Bedarf“, machte DRK-Kreisgeschäftsführer Ulrich Bergmann dankbar deutlich. 

Ohne lange Wege oder eine lähmende Bürokratie hatte der Kreisverband Odenwaldkreis nach dem Geschehen ein zielgerichtetes Konto bei seiner Hausbank eingerichtet, auf das die Bevölkerung spenden konnte. Somit war klar: Das Geld kommt direkt dort an, wo es gebraucht wird. 

„Man sieht wieder deutlich: In der Not wächst der Mensch zusammen! Das war eines meiner emotionalsten Erlebnisse seit ich Mitglied im Roten Kreuz bin“

DRK-Präsident Georg Kaciala

 „Man sieht wieder deutlich: In der Not wächst der Mensch zusammen! Das war eines meiner emotionalsten Erlebnisse seit ich Mitglied im Roten Kreuz bin“, bekannte DRK-Präsident Georg Kaciala, der sich mit Vorstand Frank Sauer die aktuelle Lage vor Ort anschauen konnte. 

Einige Stopps an besonders betroffenen Örtlichkeiten trieben Friedel Weyrauch die Tränen in die Augen. Als kleines Mädchen wurde deren Familie in der Brandnacht 1944 aus Darmstadt ausgebombt: „Wenn bei mir diese Eindrücke jetzt wieder hochkommen, wie muss es den Menschen hier erst ergehen?“ 

Ob man die Traumata kurieren kann, wird sich von Fall zu Fall zeigen. „Mit unserer von der Bevölkerung eingegangenen Spende und Friedels weitergegebenen Erfahrungen helfen wir mit, die Voraussetzungen dafür zu schaffen und die Konfrontation mit der Katastrophe ein wenig erträglicher zu gestalten“, sagte DRK-Vorstand Frank Sauer resümierend. Den Kontakt hat er über den dortigen DRK-Geschäftsführer Ulrich Bergmann hergestellt, der zuvor seine leitende Tätigkeit beim DRK-Kreisverband Bergstraße ausgeübt hatte. 

Helfen, ohne zu fragen wem!

Der Besuch sei gleichermaßen als ein Auftakt zur Freundschaft und zum geplanten Austausch der beiden DRK-Kreisverbände zu werten. „Wir werden definitiv die Entwicklung verfolgen und wenn weitere Hilfe nötig wird, diese auch leisten. Das tun wir gerne und unser Leitbild verpflichtet uns sogar dazu“, erklärt Frank Sauer und zitiert Henry Dunant, den Begründer des Roten Kreuzes: „Helfen, ohne zu fragen wem!“

Die aktiven Spendenkonten lauten:

Sparkasse Odenwaldkreis
IBAN: DE 10 5085 1952 0000 0080 86

Volksbank Odenwald
IBAN: DE 65 5086 3513 0000 1183 46

Als Verwendungszweck bitte „Hochwasserhilfe 2021“ angeben.