30. Mai 2023

Großer Bahnhof am kleinen Flugplatz

DRK-Retter als Komparsen für Kinofilm gefragt

In der Regel sind sie alles andere als Statisten und behandeln Notfallpatienten bevor diese von ihnen bei Bedarf in eine Klinik gebracht werden. Doch am vergangenen Donnerstagabend waren fünf Mitarbeiter der ehrenamtlichen Verstärkungsgruppe des DRK-Rettungsdienstes am Flugplatz Waldhorn in Michelstadt als Komparsen in den Nachtstunden gefragt und gefordert. 

Im Vorfeld zum im kommenden Jahr startenden Kinofilm „Real Life Guys“, der die Lebensgeschichte der als Youtuber äußerst erfolgreichen Zwillinge Johannes und Philipp Mickenbecker aus dem südhessischen Bickenbach auf die Leinwand bringt, wurde das Rote Kreuz aus dem Odenwaldkreis angefragt, um einen Rettungswagen und ein Notarzteinsatzfahrzeug samt Besatzungen für die Aufnahmen zu stellen. 

Denn am Flugplatz Waldhorn hat die Produktionsfirma Lieblingsfilm eine Szene gedreht, welche die Umstände zeigt, unter denen Elisabeth, die 18-jährige Schwester der Zwillinge, kurz vor ihrem 19. Geburtstag beim Absturz eines Sportflugzeugs im Jahr 2018 ums Leben gekommen war. Philipp ist im Juni 2021 an einer Krebserkrankung verstorben. Ihr Erfolg mit außergewöhnlichen Aktionen, wie einer Raketen-Badewanne, einem selbst geschweißten U-Boot, einer Achterbahn in einem Baumarkt und vielen anderen außergewöhnlichen Ideen, aber auch der Lebensmut der Zwillinge sowie die familiären Schicksalsschläge sind der Produktionsfirma aus München und Regisseurin Maria-Anna Westholzer eine filmische Umsetzung wert, die von der Deutschen Filmförderungsanstalt (FFA), Hessenfilm und von Claudia Roth, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, finanziell unterstützt wird. Die Kamera führt Martin Schlecht, der auch für „Honig im Kopf“ mit Dieter Hallervorden verantwortlich zeichnet.  

Nachtaufnahme: Vor dem Objektiv warten die Notfallsanitäter Maximilian Buß, Diana Schäfer und Friedrich Kumm (v. l.) auf die Anweisungen von Kamerabühnenmann Simon Arevalo Saint-Jean. (Foto: Michel Lang / DRK-Odenwaldkreis) 

Wie waren die Eindrücke beim Dreh am Flugplatz? „Zuerst waren wir total überrascht, wie viele Menschen mit unterschiedlichen Funktionen in so ein Vorhaben eingebunden sind. Weit über 50 Leute waren mit der Ausleuchtung, den Kamerakranen, der korrekten Positionierung der Richtmikrofone und der allgemeinen Organisation beschäftigt. Dann wurde jede geplante Einstellung erstmal vorgeprobt. Das frisst eine ganze Menge Zeit“, erzählt Notfallsanitäter Mark Trautmann, der die kleine Gruppe Kolleginnen und Kollegen für die Takes zusammengestellt hat. Was mussten die Retter vor Ort leisten? „Wir haben quasi unsere alltäglichen Abläufe an einer Unfallstelle simuliert, medizinisches Gerät bereitgestellt und die üblichen Handgriffe nachgestellt. Dabei sollten wir ab und an auf eine Markierung an einem Kamerakran schauen, die das Wrack des abgestürzten Kleinflugzeugs simuliert hat. Der eigentliche Unfall wurde hier nicht gedreht“, erzählt Trautmann im Nachgang. 

Wie kamen die Filmleute auf gerade diesen Flugplatz? „Nun, zuerst schauen wir auf Google, was da so passen könnte. Dann schicken wir unsere Scouts los, die unsere Anforderungen an den Drehort überprüfen. Haben sie sich für einen Platz entschieden, treten wir mit den Betreibern in Verbindung und unterhalten uns über die Konditionen“, berichtet Produktionsleiter Thomas Blieninger in unverstelltem Bayerisch. „Und wenn die Lokal – und DRK-Presse zugegen ist und über unsere aufwändige Arbeit berichtet, freuen wir uns natürlich“, flicht Geschäftsführer Robert Marciniak augenzwinkernd ein. Im Jahr 2018 hat er den Bayerischen Filmpreis für den Fernsehfilm Trautmann gewonnen. Im Portfolio der Firma Lieblingsfilm finden sich Produktionen zum Münchener Tatort mit Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec sowie der erwähnte Kassenschlager „Trautmann“, der die Geschichte des deutschen Fußballers Bert Trautmann (1923-2013) thematisiert, welcher vom ehemaligen Kriegsgefangenen zum Star bei Manchester City aufgestiegen ist. Für den Hessischen Rundfunk hat Maria-Anna Westholzer ihren Film „Heute stirbt Kainer“, einen modernen Western, zum Teil in Mossautal gedreht. „Der Odenwald bietet tolle Locations für meine Ideen. Hier arbeite ich gerne“, schwärmte die Regisseurin während einer Drehpause am Set auf dem Waldhorn.