Routinierter Rettungsassistent geht nach fast 40 Jahren in Rente
Beim Roten Kreuz verabschiedet sich Berthold Schweizer
Wer in 38 Jahren sieben Kinder auf die Welt bringt, hat unter normalen Umständen eine Großfamilie gegründet. Doch bei Rettungsassistent Berthold Schweizer waren diese Umstände nicht normal.
„Geburtshelfer wollte ich eigentlich nicht werden, aber die Kinder haben ungern bis zur Ankunft ins Krankenhaus gewartet oder kamen bereits im häuslichen Umfeld zur Welt“, schmunzelt der 63-jährige, der nun nach fast 40 Jahren aus dem Rettungsdienst des Deutschen Roten Kreuzes im Odenwaldkreis ausscheidet und in die Rente wechselt.
„Ich bin froh, dass die Geburten komplikationslos vonstattengingen. Auch wenn eine Schwangerschaft keine Krankheit darstellt, ist man trotz guter Ausbildung bei der Niederkunft im Rettungswagen etwas angespannt. Das ist ja nicht unser Tagesgeschäft, wir sind keine Hebammen“, erzählt Schweizer freimütig.
Von der Bundeswehr zum Rettungsdienst
Mit bereits 25 Jahren hat er noch ein halbes Jahr Zivildienst im Rettungsdienst absolviert. Ein später Eintritt und wenige Monate. „Das lag daran, dass mir nach meiner Bundeswehrzeit als Richtschütze in einem Panzerjägerbataillon die Augen aufgegangen sind. Mir wurde klar, was ich hier mache. Es war die Zeit der Pershings und die Welt befand sich in einer atomaren Bedrohungslage. Im sogenannten Ernstfall hätte ich auf Menschen schießen müssen. Das konnte und wollte ich nicht unterstützen. Niemals hätte ich dies gekonnt. Doch ich wäre zu Reserveübungen eingezogen worden. Da half nur die nachträgliche Verweigerung mit der Hilfe des für seinen Friedenseinsatz bekannten Pfarrers Klaus Schimmel“, erzählt der gelernte Fliesenleger, der sich auch in der derzeitigen mit bewaffneten Konflikten übersäten Welt offen zum Pazifismus bekennt. „Nie wieder Krieg! Diese Parole ist leider illusionär, doch mein größter Wunsch.“
Vom Rettungsdienst im Roten Kreuz hatte er von Freunden gehört und sich schnell für die Arbeit an und mit den Menschen begeistert. Im Hauptamt ist Schweizer lange als Lehrrettungsassistent tätig gewesen, hat junge Leute für den Beruf sensibilisiert und in der Praxis angeleitet. Ehrenamtlich war er als Ausbilder in der Ersten Hilfe tätig und auch als stellvertretender Bereitschaftsleiter des damaligen Ortsvereins Weiten-Gesäß engagiert. Seinen Dienst versah der zukünftige Ruheständler nach dem Zivildienst in Sandbach, hat von dort in die damals neu erbaute Rettungswache nach Höchst gewechselt und war bis zum Renteneintritt am Standort in Michelstadt-Stockheim tätig.
„Besonders Notfälle mit kleinen Kindern sind emotional, so sehr man auch als Profi handelt.“
– Berthold Schweizer
Beschäftigt haben den routinierten Retter so manche Einsätze auch im Nachhinein. „Besonders Notfälle mit kleinen Kindern sind emotional, so sehr man auch als Profi handelt“, weiß der einstige Kriegsdienstverweigerer und berichtet von Autounfällen mit Schwerverletzten und Todesopfern. „Das ist durch die Technik der Airbags erfreulicherweise wesentlich weniger geworden.“
Freunde fürs Leben
Beeindruckt hat Schweizer der Werdegang so manches jungen Kollegen: „Sie sind als unbedarfte Jungs zum Zivildienst oder später zum Freiwilligendienst gekommen und haben ihre Zeit bei uns als reflektierte junge Männer beendet. Viele sind mit einer Festanstellung beim Roten Kreuz geblieben.“
Dieses lobt der routinierte Retter als fairen und sicheren Arbeitgeber. „Auch wenn bei heute über 180 Kollegen das Familiäre aus meiner Anfangszeit zwangsweise gelitten hat, stehe ich immer noch für das gute Arbeitsklima ein. Aus einigen Kollegen sind gute Freunde fürs Leben geworden.“
Nach seinem letzten Dienst warteten Vorstand Frank Sauer und Rettungsdienstleiter Mark Trautmann mit einer Überraschung auf. Denn obwohl man es dem frisch gebackenen Rentner nicht ansieht, ist er ein ausgesprochener Genießer.
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